Samstag, 6. Juni 2015

Kurze Urlaubsunterbrechung

Trotz blonder Begleitung. Die Erinnerung kam einfach hoch bei der Meldung ...

Die Erinnerung an den Volksschüler, der mit seiner Familie Sommerfrische machte, damals in den mittleren 1960ern. Irgendein kleines Kaff im Innviertel, von wo die Oma mit dem Autobus nur ein paar Stationen fahren mußte, um im Thermalbad Schallerbach (hieß doch so, oder?) ihren Ischias zu lindern. Oder ihre Spondylose. Oder war das für beides ...? Das Kind spielte währenddessen in den Wäldern und Feldern mit Bauernbuben. Und mit der Tochter der Zimmervermieterin. Gelegentlich gab es was Besonderes: ein richtiger Maler zeigte Bilder im Pfarrsaal. Ein Großbauer war gestorben, und beim Requiem gab's so viel Weihrauch, daß dem Buben aus Wien ganz schlecht wurde. Und gelegentlich gab's einen Film im Dorfkino. »Sissi« und dergleichen. Naja. Oder »Das Haus in Montevideo« mit dem Ski-Ass Toni Sailer in einer Nebenrolle — das war schon besser ...

Einmal, nach dem Ende des Films »Winnetou III« lief der kleine Bub heulend in den Wald, weil Winnetou tot war. Man ging ihn suchen — nein, es war keine gefährliche Situation, wirklich nicht! Die Wäldchen in der Umgebung waren zahm und friedlich wie die sanfte Hügellandschaft des Innviertels überhaupt. Und man tröstete den in Tränen aufgelösten Buben, indem man ihm versicherte, daß der Schauspieler ja in Wahrheit nicht tot sein, der lebe und drehe sicher bald wieder seinen nächsten Film.

Der Bub war nun dopelt unglücklich: unglücklich darüber, daß Winnetou gestorben war, und noch mehr, daß seine Familie ihn offenbar für einen kompletten Trottel hielt! Natürlich wußte er, daß der Schauspieler nicht tot war, sondern »bloß« die Filmfigur Winnetou! Und damals ahnte er, daß die Erwachsenen offenbar ihre eigene Kindheit vergessen haben. Oder sogar vergessen müssen — sonst könnten sie ihr Leben, das ganz so ohne Erfahrung, ohne Eintauchen in eine zweite Realität dahinging, wohl nicht aushalten. Und er beschloß, es anders zu machen. Aber wie? Verlacht und mit billigem Pseudo-Trost abgespeist zu werden, war nicht angenehm.

Er entschloß sich zu lesen. Das war angesehen und respektabel. Und eine zweite Realität — mit der reichen Phantasie der jungen Jahre glänzender, vielschichtiger und aufregender als je ein Film sein könnte. So verdankt LePenseur — der damals jener kleine Bub war — vielleicht die »Initialzündung« seiner späteren Bildungsinteressen jenem Schauspieler, dessen Darstellung des Sterbens ihm damals (und in der Erinnerung noch heute) die Tränen in die Augen trieb, und der heute selbst gestorben ist:

Pierre Brice
6. Februar 1929 - 6. Juni 2015

Er ruhe in Frieden ...

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