Freitag, 3. Oktober 2014

Der bärtige Barde neobarocker Lebensfreude

So könnte man den österreichischen »Malerfürsten« des späten 19. Jahrhunderts, Hans Makart, wohl in aller Kürze (und Ungenauigkeit) charakterisieren. Denn er war dies zweifellos — und doch auch viel mehr! Jahrzehntelang als technisch virtuoser Schöpfer von rubenesken, allegorisch-historischen Riesenschinken und platter Salonporträtistik geringgeschätzt, würdigt man seit einiger Zeit, was für ein Talent, ja: Genie auch hinter jenen Werken erkennbar wird, die uns heute doch recht fern stehen. Sofern man bereit ist, unter den Firniß zu blicken ...

Sicherlich — Hans Makart malte vornehmlich »Reich & Schön« seiner Zeit (andere hätten sich seine Honorarsätze wohl nicht leisten können!). Aber wie er sie malte — das ist wohl weit mehr als gefällige Salonmalerei! Nehmen wir bspw. eine Gräfin Pallfy:

Auch wenn der prätentiöse Zweittitel des Bildes, »Die Betende«, etwas aufgesetzt wirkt — ein Bild von (bei aller rauschhaften Üppigkeit dekorativen Faltenwurfs) meditativer Geschlossenheit ist es allemal! Und die als »Messalina« majestätisch hingegossene Charlotte Wolter ist nicht nur effektvoll, sondern auch in der Haltung bezwingend:


Man »vergißt« dieses Bild wohl ebeno wenig wie seine berühmte »Falknerin« (und auch den Falken!)


Auffällig ist, daß Makart fast nur Frauenporträts von hoher Qualität geschaffen hat — ganz anders als der mit ihm auf dem Gebiet der Porträtkunst durchaus erfolgreich(er) konkurrierende Lenbach ...

Doch selbst in gründerzeitlich überschäumenden Allegorien wie dem »Triumph der Ariadne« steckt mehr als bloße »Technik«:


Hier manifestiert sich ein ganzes Zeitalter des lebensfroh fortschreitenden und dennoch traditionsverbundenen Hochgefühls — das es danach, in der Dekandenz des Fin de siècle und dem morbiden Charme der Belle Epoque (vom stilistischen Verfall der 1920er-Jahre ff. nicht zu reden!) nie wieder gegeben hat.

Makart war wohl der letzte Maler, der in ungebrochenem Vertrauen auf die Tragfähigkeit seiner Kunst und ihrer Traditionen ohne Selbstironie einen barocken Duktus herbeizaubern konnte. Was nach ihm kam, entriet dieses Selbstverständnisses — und damit auch der Selbstverständlichkeit. Ob diese zu Makarts Zeiten überhaupt noch berechtigt war, bleibe dahingestellt; das ist ein ganz anderes Problem ... aber daß er sie empfand, und nur deshalb (bei an sich melancholischer Charakteranlage) überhaupt fähig war, solch rauschhafte Bildkompositionen zu erdenken, ist kaum anzuzweifeln.

Am 3. Oktober 1884, also heute vor 130 Jahren, ist Hans Makart dahingegangen — wie viele Männer jener Zeit (d.h. vor Ehrlichs Erfindung des »Salvarsan«) an den Folgen einer Erkrankung, deren Erwerb man bildungssprachlich gerne als »une journée à Cythère« umschrieb. Und mit ihm sank eine glückliche — oder sich wenigestens glücklich wähnende — Epoche ins Grab, und machte einer ernsteren, konfliktträchtigeren Platz, in der Ariadnes Triumphe so nicht mehr zu feiern waren ...

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