Mittwoch, 11. September 2013

Heute vor vierzig Jahren

... starb Chiles Präsident Salvador Allende. Bis heute wird er als Idol eines »friedlichen Umschwunges zum Sozialismus« verherrlicht, jedoch kaum je hinterfragt, was denn dieser gescheiterte Umschwung bewirkt hätte, wäre er denn gelungen. Gelungen? Nun, im wahren Wortsinn »gelingen« konnte er wohl nur in den verblasenen, von totalitären Weltverbesserungstheorien fanatisierten Vorstellungen irgendwelcher Linker — denn die Welt hat seit 1917 hinreichend Erfahrungen sammeln können, daß Sozialismus einfach nicht funktioniert.

»Die Presse« widmete diesem Anlaß einen gar nicht so schlechten Artikel von Andreas Fink:
Der demokratische Präsident, der nie eine Mehrheit hatte

Salvador Allende, der Arzt und Marxist wollte Chile zum Sozialismus „bekehren“, hatte aber die Masse des Volkes gegen sich, und die USA.

Dass Salvador Allende der erste Marxist war, der zum Präsidenten Chiles gewählt wurde, lag vor allem daran, dass ihm nach drei vergeblichen Kandidaturen der Ruf des ewigen Verlierers anhaftete. Nicht einmal die CIA rechnete damit, dass der Arzt und Anführer der Sozialisten bei der Präsidentenwahl 1970 die Mehrheit erobern würde können. Als dann Kunde kam, dass er 39.000 Stimmen mehr bekommen hatte als sein Hauptgegner, der konservative Greis Jorge Alessandri, senkte US-Präsident Richard Nixon den Daumen: Noch vor Amtsantritt überlebte Allende den ersten Anschlag. Und der verfassungstreue Armeechef René Schneider erlag einem Attentat.

Die Jahre 1971–73 erlebten die meisten Chilenen als explosives „Delirium“, geprägt von Wirtschaftskrise, politischer Radikalisierung und Gewalt. Der Versuch Allendes, eine sozialistische Gesellschaft demokratisch aufzubauen, musste scheitern, weil das Projekt keine politische Mehrheit hatte: Allende war aufgrund des Mehrheitswahlrechts mit 36,8 Prozent gewählt worden, die Parlamentswahl im März 1973 brachte seiner „Volkseinheit“-Front nur 44 Prozent der Stimmen.

Mit Enteignungen und Verstaatlichungen wollte Allende den Wohlstand umverteilen und die Abhängigkeit Chiles von fremden Konzernen mindern. Weil US-Firmen betroffen waren, verhängten die USA ein Embargo. Mit der Notenpresse versuchte Allende, den Konsum anzufeuern, was nach einem guten ersten Jahr in Hyperinflation mündete, 1973 waren es 600 Prozent. Weil ihre Löhne nichts mehr wert waren, kündigten viele Arbeiter der Regierung die Gefolgschaft und streikten. Unterstützt von konservativen Kreisen legten die Lkw-Fahrer die Versorgung lahm. Als die Militärs unter Führung von Augusto Pinochet putschten, hatte die Hauptstadt Santiago nur noch Mehlvorräte für zwei Tage.
Ist es vermessen zu fragen, was an einem Präsidenten ohne Mehrheit, der den Versuch unternimmt, gegen die Mehrheit einen Totalumsturz der gesellschaftlichen Verhältnisse einzuleiten, denn »demokratisch« wäre? Nur: diese Frage wird (fast) nie gestellt. Ebenso, wie für gewöhnlich nicht darauf hingewiesen wird, daß der »Putsch« der Armee durch vorherige (!) Parlamentsbeschlüsse urgiert, und schließlich — erst nach langem Zögern — durch den damaligen Armeekommandanten General Pinochet umgesetzt wurde. Daß diese Umsetzung sicher letztlich durch die Interessen der USA entscheidend gefördert wurde, steht außer Zweifel, kann aber die Illegitimität, in der sich Allende mit seinem Kurs bereits vor dem Putsch befand, nicht nachträglich rechtfertigen. Finks Artikel räumt mit einer weiteren, lange Jahre gepflegten Legende auf, nämlich der der Erschießung Allendes durch die »Putschisten«:
Allende, das wurde 2012 von Medizinern bestätigt, erschoss sich am 11. September 1973 im Präsidentenpalast La Moneda. Die Kalaschnikow, die er sich unters Kinn gehalten hatte, war ein Geschenk von Fidel Castro – der hatte nie versucht, den Sozialismus auf demokratischem Weg zu installieren. 
Jetzt ergehen sich alle möglichen Chilenen in Entschuldigungen für damaliges Fehlverhalten, sogar — keine kleine Sensation, denn Linke neigen selten zum Eingeständnis eigenen Unrechts — der Sozialist und Senatspräsident Camilo Escalona, der sich für linke Gewalt vor der Entmachtung Allendes entschuldigte.

Eine Entschuldigung gegenüber General Pinochet freilich wird's noch lange nicht geben, wiewohl dessen beispiellose Dämonisierung sicherlich v.a. dem Haß der westlichen Linken zuzuschreiben ist, ihre Gesellschaftsveränderungsambitionen gestört zu haben.

Dieser Haß ist nachvollziehbar, aber nicht gerechtfertigt. Denn Pinochet ist schließlich in einer von ihm selbst initiierten Volksabstimmung als Präsident (also höchst demokratisch) abgewählt worden und hat für einen reibungslosen Machtwechsel zu einem unzweifelhaft demokratisch gewählten Nachfolger gesorgt. Es darf nach dem Gang der Ereignisse im Jahr 1973 füglich bezweifelt werden, daß ein Präsident Allende ebenso verantwortungsvoll seine Position geräumt hätte, wie später General Pinochet. Aber Allende hatte schließlich (wie alle Linken) eine »welthistorische« Mission zu erfüllen, und da kann man nicht einfach aufgeben! Pinochet hingegen wollte Ruhe, Ordnung und Sicherheit wiederherstellen (wenngleich die Mittel, die dazu angewandt wurden, nicht immer zimperlich waren!). Als das bewerkstelligt war, stellte er sein Amt zur Disposition. Das ist ein Unterschied — und kein zu vernachlässigender ...

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