Sonntag, 1. September 2013

Die Lohnschreiber der transatlantischen Seilschaften

… sind gerade hochbeschäftigt, die »Scharte«, daß das britische Parlament Obamas Pudel Cameron an die Leine nahm, auszuwetzen, und ihre Propagandagranaten mit vollem Rohr unter die Leute zu feuern. Typisches Beispiel dafür ist der Leitartikel, den heute »Die Presse« von ihrem Chefredakteur Rainer Nowak publizieren läßt.

Wäre es nicht so ekelerregend, müßte man sich diesen Artikel fast als Musterbeispiel semantischer Häkelkunst, eines aus glatten Lügen, getarnten Halbwahrheiten und unterbewußt wirken sollenden Insinuationen einen journaillistisch »gelungen« (also zur Zufriedenheit der Besteller ausgefallenen) gedrechselten Leitartikels zu Gemüte führen. Wer will, kann ihn ja hier durchlesen — sicherheitshalber unter Bereithaltung eines Speibsackerls (für Piefkes: »Kotztüte«) …

Schon der Untertitel legt in bewährter Manier Fangschlingen für den arglosen Leser:
Dass es einmal mehr die USA sind, die als Reaktion auf Syriens Giftgasangriff eine militärische Intervention planen, zeigt die Schwäche und Ignoranz des mit sich selbst beschäftigten Europa.
Der große Hans Weigel hätte sofort bemängelt, daß »einmal mehr« ein saublöder Anglizismus — von »once more« — sei, und es auf deutsch »wieder einmal« heißen müsse, aber das nur nebenfüglich … … nun, was steht da gleich in der ersten Zeile? »Syriens Gasangriff«, nicht etwa »Gasangriff in Syrien«. Also wird schon im Untertitel stillschweigend die Linie vorausgesetzt, daß »Syrien«, d.h. also seine Regierung (die natürlich zweckmäßigerweise als bloßes »Regime« zu diffamieren ist), das Giftgas einsetzte. Genau das ist jedoch erstens höchst unplausibel (da es nur wenige Tage nach der Ankunft von UN-Inspektoren, die genau den Einsatz von Giftgas untersuchen sollten, erfolgt wäre), und zweitens noch überhaupt nicht nachgewiesen (weshalb Herr Nowak später im Artikel von einem »mutmaßlichen Giftgasangriff« spricht, aber da ist der Leser schon auf Argumentationsschiene gesetzt, also »schadet« es nicht mehr, jetzt ein bisserl auf journalistische Objektivität zu mimen).

Ach, und zu dem »noch nicht nachgewiesen« kurz dazwischengesagt: das »Wall Street Journal«, also ein Presseorgan des amerikanischen East Coast Establishment, berichtete (vermutlich versehentlich) vor ein paar Tagen:
On Sunday, the U.N. said its inspection team was preparing to start its fact-finding mission on Monday after Syria said it would allow U.N. personnel now in Damascus immediate access to the affected areas.

"The team must be able to conduct a full, thorough and unimpeded investigation," said U.N. Secretary-General Ban Ki-moon on Sunday night. However, the team is only mandated to determine if chemical weapons were used, not who used them, Mr. Ban's spokesman said.
(Hier weiterlesen)
Das muß man sich auf der Zunge zergehen lassen: die — für einen Militärschlag gegen die syrische Regierung einzig entscheidende Frage — nämlich: ob sie es war, die Giftgas eingesetzt hat — darf ausdrücklich nicht untersucht werden. Deutlicher könnte die Farce, die hier veranstaltet wird, garnicht zutage treten! Doch zurück zur »Presse« und ihrem Nowak …

Der Artikel fängt mit bewußt schwachen Argumenten darüber an, ob ein Diktator, der die Islamisten mit Terror in Schach hält, nicht etwa das kleinere Übel für den Westen wäre. Es ist ein beliebter rhetorischer Trick, ein Argument, das man bekämpfen will, durch schwache Arumente scheinbar zu verteidigen, bis es völlig diskreditiert ist. Deshalb heißt es dann nach dem Strohpuppen-Gefecht (und selbstmurmeld für die transatlantische Blattlinie):
Die Antwort lautet dennoch: nein. Denn erstens ist die automatische Machtübernahme der Fundamentalisten nach Assad keine ausgemachte Sache, hinter den Kulissen ließe sich wohl verhandeln, und hinter al-Assad müsste es wohl den einen oder anderen einsichtigen Militär geben, der in einer Übergangsphase auftaucht. Zweitens aber ist das nicht die Frage, die gerade maßgeblich sein sollte. Sondern: Wo ist die rote Linie? Massaker? Giftgas? Ethnische Säuberungen?

Der Einsatz von Giftgas überschreitet eine solche rote Linie, darauf nicht mit aller Schärfe zu reagieren würde sich in die Vogel-Strauß-Serie der internationalen Gemeinschaft reihen: Ruanda, Srebrenica und nun eben Syrien.
Ach ja? Die Machtübernahme durch Islamisten in Ägypten war ja bekanntlich auch keine »ausgemachte Sache« (ausgemacht von wem, übrigens?), und voll Überraschung stand die Welt dann vor einem Parlament aus islamofaschistischen Salafisten und Moslembrüdern, die sich gegenseitig überboten, wieviel Scharia sie in in der nächsten Verfassung haben wollen — statt daß die liberale Facebook-Generation El-Baradei zu einem fulminanten Wahlsieg verholfen hätte. Und, pardauz, wer hätte gedacht, daß in Tunesien die radikalen Muselparteien das Sagen haben würden und bei Bedarf einen Oppositionspolitiker ermorden lassen? Und, ei — welche Überraschung noch, daß Libyen in Stammeskriegen versinkt, und auch dort (neben dem Zerfall des Landes) ein Rücksturz ins finsterste Mittelalter bevorsteht.

Und weil Sie gerade von Srebrenica plaudern, Herr Chefredakteur ... ... wie war das denn damals, als die westeuropäischen Zeitung voll waren von den Massakern der Serben im Kosovo — die nur den kleinen Schönheitsfehler hatten, so nicht stattgefunden zu haben? Die aber zur süffigen Begründung des Kosovo-Krieges herangezogen wurden, mit Zerbombung Belgrads und unsäglichem Elend für die ganze serbische Bevölkerung.

Noch etwas, Herr Chefredakteur — haben Sie schon einmal von Khan Al-Assa gehört? Diesbezüglich wird seitens der USA, Großbritanniens und Franreichs schon seit geraumer Zeit eine UNO-Untersuchung des dortigen Giftgas-Einsatzes hintertrieben, den aber, wie selbst CBS zugibt, die in den Westmedien so freundlich als »Rebellen« bezeichneten islamistischen Terrorbanden begangen haben! Es wäre ja irgendwie peinlich, eine Regierung mit der Begründung »Giftgas« wegzubomben, wenn die Terroristen, die sie bekämpfen, es eingesetzt haben.
Stimmt, noch ist der UN-Bericht über den Vorfall nicht fertig. Stimmt, reaktionsschnelle Länder wie Großbritannien winken aus innenpolitischen Gründen auch ab. Stimmt, nicht immer sind US-Beweise vor Gerichten anderer Länder stichhaltig.
... schreiben Sie, Herr Chefredakteur. Übrigens: in der Printausgabe heißt es noch unvorsichtigerweise »nicht immer sind US-Beweise stichhaltig« — aber das hat offenbar der Große Bruder jenseits des Atlantik doch nicht so unverblümt ausgedrückt hören wollen, weil er nur zu genau weiß, daß seine »nicht immer stichhaltigen Beweise« im Falle Syriens erstunken und erlogen sind, so wie es die »Beweise« für die Massenvernichtungswaffen im Irak waren, oder seinerzeit die »Beweise« für den Volksunmut gegen Mosaddegh, die zu seinem Sturz verwendet wurden, oder .... oder ....
Leugnen kann man auch nicht ein grundlegendes Anliegen der USA, nämlich: keinen Präzedenzfall zu schaffen, indem man den Einsatz von Massenvernichtungswaffen hinnimmt.
... schreiben Sie, Herr Chefredakteur. Dieser Satz ist zwar zutreffend, aber leider unvollständig. Er müßte nämlich durch die Worte »... indem man den Einsatz von Massenvernichtungswaffen außer durch die USA oder in ihrem Auftrag hinnimmt« ergänzt werden. Dann stimmt er wieder. Denn was, wenn nicht »Einsatz von Massenvernichtungswaffen« war denn das Flächenbombardement ziviler Ziele und Wohngebiete im Golfkrieg, im Balkankrieg, im Afghanistankrieg, im Irakkrieg ...?
Wenn es den USA nun gelingt, Alliierte für eine gemeinsame Aktion zu finden, kann die Welt Danke sagen, dass jemand die Drecksarbeit erledigt.
... schreiben Sie, Herr Chefredakteur. Danke, Herr Chefredakteur, mich solcherart gleich in Ihre eilfertige Danksagungsfront einzuschließen — aber mein Dank für die Anzettelung eines Militärschlages gegen ein Land und seine Regierung, die den geopolitischen und ökonomischen Interessen der USA und ihrer Machthaber nicht gefügig genug war, ist überschaubar gering!

Wobei Sie mit der »Drecksarbeit«, die Amerika macht, durchaus recht haben. Und selbstmurmelnd müssen wir diese aufopferungsvolle Bereitschaft der Amerikaner anerkennen. Am besten mit den Worten eines Mannes, der wie geschaffen gewesen wäre, Drohnenangriffe zu befehlen, jenseits der Staatsgrenzen (und damit gegen lästige Gerichte immunisiert) Lager zu errichten, oder durch seine Geheimdienste die Bespitzelung aller Menschen (egal ob schuldig, verdächtig oder nicht), wenn er unsere heutigen gloriosen Zeiten bloß erlebt hätte — und der in tiefer Einsicht in die psychische Belastung solcherart unbedankten Wirkens vor beinahe siebzig Jahren die folgenden Worte fand:
Von Euch werden die meisten wissen, was es heißt, wenn 100 Leichen beisammen liegen, wenn 500 daliegen oder wenn 1000 daliegen. Dies durchgehalten zu haben, und dabei — abgesehen von Ausnahmen menschlicher Schwäche — anständig geblieben zu sein, das hat uns hart gemacht. Dies ist ein niemals geschriebenes und niemals zu schreibendes Ruhmesblatt."
Danke, Herr Chefredakteur, daß Sie uns mit Ihrem Leitartikel so klar und deutlich gezeigt haben, wessen Sie fähig sind ...

1 Kommentar:

Anonym hat gesagt…

Zu Srebrenica äußern sie sich vernünftig, Dank dafür. Die angebliche Posener Rede Himmlers dahingegen ist so eine Sache für sich.