Mittwoch, 5. Januar 2011

Das Gefühl einer Schädigung

... verhält sich oft (wenngleich nicht immer) proportional zur Schadensersatzzahlung, die man dafür lukrieren kann. Das ist jetzt ein gaaanz pöhses Statement, ich weiß — aber ich denke, daß es sich dabei nicht anders verhalten wird als beim berühmten Peitschenschlag-Syndrom, welches — ebenso sicher unnachweisbar wie angeblich schmerzhaft — bei Autounfällen der 80er-Jahre wie das Amen im Gebet geltendgemacht wurde und zu einem damals durchaus netten Schmerzensgeld seitens der Kfz-Versicherung verhalf. Die Unbequemlichkeit, für einige Wochen eine »Schanz-Krawatte« zu tragen, wurde durch den aus dem Schmerzensgeld locker finanzierbaren dreiwöchigen Griechenlandurlaub (Griechenland war damals ebenso in wie billig) ausgeglichen. Als die Versicherungen beim Peitschenschlag-Syndrom allerdings zunehmend »Manderl machten«, und dieses auch in der Judikatur mehr und mehr zum Billigangebot herabsank, kam es irgendwie aus der Mode. Selten, daß man heute noch jemand mit Halskrause rumlaufen sieht. Und Griechenland ist seit den letzten Randalen (für die wir via EU zahlen dürfen) auch nicht mehr so »in« — und billig ist heute eh nix mehr ...

Warum ich das erzähle? Nun, Herr Alipius hat auf seinem Blog einen recht interessanten Artikel eines US-Rechtsanwaltes veröffentlicht, der bezüglich der in den USA wie geschmiert rollenden »Ich-wurde-als-Kind-von-einem-katholischen-Priester-mißbraucht«-Prozeßlawine zu durchaus bemerkenswerten Erkenntnissen kam. Beispielsweise folgenden:
• Ich habe beschuldigte Priester bei erfahrenen ehemaligen Polizeibeamten (unter anderem vom LAPD, dem Sherrif-Department und dem FBI) Lügendetektor-Tests durchführen lassen. In vielen Fällen zeigte die Auswertung, daß das Verneinen der Klienten von Mißtaten wahrheitsgemäß war. In diesem Fällen bot ich den Klägern schriftlich an, sich ebenfalls auf meine Kosten diesem Test zu unterziehen. In allen diesen Fällen weigerte sich der Kläger, seine Aufrichtigkeit mit diesem investigativen Hilfsmittel testen zu lassen.

• Mir sind diverse Kläger bekannt, die aussagten, daß sie erst dann erkannten, mißbraucht worden zu sein, als sie erfuhren, daß andere Personen - manchmal ein Verwandter - eine finanzielle Entschädigung von der Erzdiözese oder einer anderen katholischen Institution erhalten hatte.

• Bei der Untersuchung vieler Fälle änderten sich die Geschichten der Kläger mit der Zeit beträchtlich; manchmal änderten sich Jahre, manchmal Orte, manchmal die unterstellte Aktivität. In jedem Fall scheinen diese Änderungen Klagen gegen meine Klienten erst ermöglicht oder verschärft und vermeintlichen Schaden dramatisiert zu haben.
(hier weiterlesen)
Nun steht es zwar außer Zweifel, daß es Fälle von Kindesmißbrauch durch Geistliche gegeben hat — aber diese Fälle, denen eine überwältigend (!) größere Zahl sexueller Mißbrauchsfälle durch andere Personen (Familienangehörige, Lehrer, Internatserzieher, Schulkameraden, Soldatenausbildner etc.) gegenüberstand, fanden ein beispielloses Medienecho — und hier auch fast nur die Fälle, in denen es katholische Geistliche betraf (obwohl sexueller Mißbrauch durch Pastoren, Rabbiner, Imame und Gurus aller Sorten genauso vorkam).

Mein böser Verdacht (Juristen glauben nun mal eher an den Schweinehund als an das Edle im Menschen — und ihre Berufserfahrung lehrt sie so zu denken!), daß hier auf Kosten einer anonymen Großinstitution — nämlich der Römisch-Katholischen Kirche — eine bunte Gemengelage von Interessen bedient werden sollten, wird durch diesen Artikel durchaus bestätigt. Eine Gemengelage, die sich etwa wie folgt aufdröseln läßt:

1.
Was gibt es schöneres für die Medien, an deren Schalthelben mittlerweile fast durchgehend Alt-Achtundsechziger sitzen, als der Kirche einen Skandal, ach besser: viele Skandale, umhängen zu können! Selbst hat man schließlich die »Ideale« seiner maoistischen Studentenzelle verraten, sich der Karriere wegen an diese Scheiß-Bürgerlichkeit angepaßt, miterleben müssen, wie die eigenen Kinder dank antiautoritäter Erziehung zu kleinen Bestien entarteten, die man am liebsten enterben möchte. Man hat sich quer durch Büro und Stadt geschlafen, aber außer ein paar teurer Scheidungen, aus einem One-Night-Stand ein — hochgerechnet auf die Dauer des Vergnügens noch teureres — uneheliches Kind (das die blöde Schlampe damals nicht wegmachen wollte), und ein paar panikartigen AIDS-Tests nach entsprechenden Aktivitäten, war das auch irgendwie nicht das Gelbe vom Ei. Aber jetzt hat man eine Institution an der Angel, die all das nie so wirklich gutheißen wollte — und der man jetzt beweisen kann, daß sie eben auch nur so ein heuchlerisches Pack ist, wie man selber (wenn man zu sich ehrlich wäre).

2.
Was gibt es schöneres für einen Anwalt, als ein armes Opfer zu vertreten, dem das Mitgefühl der Richter, der Geschworenen, der Sachverständigen und der Gerichtssaalreporter sicher ist. Wo man einen durch Scham und Schmach gelähmten, aber potentiell stinkreichen Prozeßgegner, nämlich die Kirche, vor sich hat, den man nur abkassieren muß. Mit bestem Gewissen (so man als Anwalt eines hat), denn man vertritt schließlich die bessere Seite. Mit der Möglichkeit, auch das Aufmucken gegen die mieseste Erpressung durch das nonchalante Wölben einer Braue (»Wir alle wollen doch nicht, daß von diesem schrecklichen Fall noch mehr in den Medien berichtet wird, oder ...?«) problemlos niederzubügeln. Und mit der Möglichkeit, durch Zusammenarbeit mit »Opferorganisationen« die Sache ebenso zeitsparend wie lukrativ durch Sammelklagen zu bearbeiten.

3.
Was gibt es schöneres für einen Ex-Ministranten, dem dieser alte Knacker mit seinem süßlichen Gelaber schon vor 40 Jahren auf den Sack gegangen ist (man mußte aber hingehen, weil Tante Emmy so fromm war, und sich das Ministrieren positiv auf die Höhe der Geburtstagsgeschenke auswirkte), wenn er jetzt feststellt, daß man den alten Knacker gar nicht persönlich klagen muß (geht nicht mehr — längst tot), weil er einem manchmal die Wange getätschelt hat (Igitt! Bin ich ein Mädchen?), aber die Diözese ohnehin auf Fingerschnippen mit Geld rausrückt ...

Okay: ein paar Leute werden das jetzt als rabenschwarzen Zynismus bezeichnen, und mir vorwerfen, daß die Schilderung höchst unsensibel und wenig hilfreich ausgefallen ist. Mag sein. Dafür vermutlich recht realitätsnahe ...

3 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

wenn die Fallzahlen ein gewisses Maß überschreiten und viele mit einer seltsamen Gleichzeitigkeit ihr Gedächtnis wiederfinden ist oft was faul an der Sache,hat man ja schon anderswo gesehen....
mein Bruder hat in den frühen 60er jahren als Ministrant so manche Watsche kassiert...gibts da auch was? Damals wars ihm völlig wurscht....

Anonym hat gesagt…

Sie sind Jurist? Da frage ich Sie doch glatt einmal, wieviele strafbare Ehrabschneidungen allein auf der ersten Seite Ihres Blogs zu finden sind.

Da ist es ja man gut, dass Blogspot nicht darauf besteht, die Echtnamen seiner Kunden zu erfassen, gelle?

Wer so die Klappe aufreißt wie Sie hier, sollte auch den Mumm haben, für seine Äußerungen persönlich einzustehen.

Und dann nennen Sie sich in aller Bescheidneheit auch noch "Le Penseur". Andererseits passt das ja auch wieder, war das Modell für die Plastik doch ein Boxer aus dem Rotlichtmilieu.

L’Homme qui marche

Le Penseur hat gesagt…

@Anonym:

Wer so die Klappe aufreißt wie Sie hier, sollte auch den Mumm haben, für seine Äußerungen persönlich einzustehen.

Und das schreibt Poster »Anonym« ...