Donnerstag, 2. Dezember 2010

Für eine Handvoll Dollars ...

... was z.B. die runde, schlanke Summe von 30 Millionen $ zweifellos darstellt, läßt sich schon einiges anfangen. Beispielsweise ein nettes Anwaltshonorar auszahlen (so ein Drittel, oder die Hälfte) und vom Rest immer noch sorgenfrei in Saus und Braus leben. Wie schön ... hätte ich auch gern!

Österreichs bekanntes Qualitätsmedium, »Die Presse«, weiß unter dem Titel »30 Millionen Dollar für Mißbrauchsopfer« zu berichten:
Ein Geschworenengericht im US-Staat Delaware hat einem mutmaßlichen Opfer sexuellen Missbrauchs durch einen Geistlichen 30 Millionen Dollar Schadenersatz (knapp 22,9 Millionen Euro) zugesprochen. Es sei bei weitem die höchste Summe, die jemals in einem einzigen Gerichtsurteil im Zusammenhang mit einem solchen Missbrauchsfall angeordnet worden sei, hieß es aus Expertenkreisen am Mittwoch. Der Kläger hatte vor Gericht ausgesagt, er sei als Bub in den 60-er Jahren von einem katholischen Priester sexuell missbraucht worden.

Laut der Entscheidung des Gerichts in der Stadt Baltimore war die Kirchengemeinde St. Elizabeth's in der Stadt Wilmington für den Missbrauch mitverantwortlich und muss dem Kläger daher drei Millionen der insgesamt 30 Millionen Dollar Schadenersatz zahlen.
22,9 Mio. Euro sind in richtigem Geld (damit man sich die Dimensionen einmal vorstellt) die Kleinigkeit von 315 Mio. Schilling. Okay, keine Frage, daß das Mißbrauchsopfer für die erlittenen Schäden eine Kompensation erhalten muß. Aber 315 Mio. Schilling für sexuellen Mißbrauch? Der noch dazu mittlerweile etwa ein halbes Jahrhundert zurückliegt?

In Österreich wurden nach dem Zweiten Weltkrieg — niedrig geschätzt! — 100.000 Frauen von Angehörigen der Roten Armee vergewaltigt. Dürfen diese sich demnächst pro Kopf über 22,9 Mio. Euro freuen — oder wenigstens über je 2,29 Mio. Euro (also: 31,5 Mio. Schilling), da die Sowjetunion daran sicher nicht unschuldiger war als die Kirchengemeinde St. Elisabeth's im aktuellen Fall (die ja auch ein Zehntel berappen darf — warum eigentlich: haben die sich etwa Video-Mitschnitte von den Hinterladereien ihres schwulen Pfarrers besorgt ...?).

Was die GUS-Staaten als Rechtsnachfolger der Sowjetunion sohin zu einer zügigen Überweisung von ca. 229 Milliarden Euro (bzw. 3,1 Billionen Schilling) veranlassen sollte.

Und ist die Folterung von Gefangenen, oder die zur psychischen Brechung des Feindes direkt beabsichtigte Ermordung kriegsunbeteiligter Zivilbevölkerung (wie z.B. im Bombenkrieg der USA in Vietnam oder dem Irak — oder 1945 der Briten im Fall Dresden) nicht gravierender? Ist sexueller Mißbrauch (bei all seiner Verwerflichkeit) nicht immer noch weitaus weniger arg, als z.B. das Verbrennen und Ersticken von Bombenopfern bei lebendigem Leibe durch Napalm und einstürzende Wohngebäude?

Was hier ein US-Geschworenengericht als »Recht« gesprochen hat, ist in Wahrheit plakativer Justiz-Populismus, wo eine Jury sich in hirnloser Gutmenschlichkeit austobte nach dem Motto: »Darf's ein bisserl mehr sein?«

Nach klassischer Morallehre sündigt man durch Verfehlung des rechten Maßes — ebenso per excessum wie per defectum. Nur wird eine (zweifellos in der Vergangenheit begangene) Sünde durch eine gegenwärtige Sünde in die Gegenrichtung nicht aufgehoben, sondern verdoppelt. Aber um derlei Feinheiten zu begreifen, müßte die US-Justiz über ein intaktes Rechts- und Moralverständnis verfügen. Was angesichts eines durch und durch korrumpierten Justizsystems — das zwar für Honorarinteressen der Anwaltschaft und Karriereinteressen der Staatsanwälte und Richter gut ist, aber für sonst gar nichts — und der offenkundig nach dem Peter-Prinzip zur Stufe ihrer Inkompetenz aufgestiegenen Geschworenen wohl reines Wunschdenken sein dürfte.

Keine Kommentare: