Mittwoch, 15. September 2010

Man kann ganz ohne Scheu darüber reden ...

Wie reagiert man eigentlich, wenn ein renommiertes Meinungsforschungsinstitut einem die folgende Frage stellt:
„Wie ist Ihr Eindruck: Kann man in Österreich eigentlich ganz ohne Scheu darüber reden, wie man über politische, geschichtliche oder kulturelle Dinge denkt, oder ist es besser, sich mit seiner Meinung zurückzuhalten, weil man sonst mit Nachteilen rechnen muss?“
Gute Frage — aber wie antworten? Am besten vorsichtig, denn wer weiß schon wirklich, wo die Umfragedaten landen (das Problem ist bei den Wahlprognosen bekannt, wo bei Wahlen die pöhsen Freiheitlichen regelmäßig stärker sind, als die Umfragen prognostizierten). Also wird mancher, der auf der sicheren Seite bleiben will, lieber ganz ohne Scheu das sagen, was er in Wahrheit nicht meint: nämlich, daß man in Österreich ohne Scheu seine Meinung sagen kann ...

Andreas Unterberger hat völlig recht, wenn er in dieser Fragestellung den Schibboleth zwischen »bloß« undemokratischen Systemen und dem Totalitarismus erblickt:
Diese Frageformulierung trifft genau einen wesentlichen Kern dessen, was ein totalitäres System ausmacht: Zum Unterschied von bloß autoritär-undemokratischen Systemen, die sich auf die Machtausübung konzentrieren, wollen totalitäre Staaten auch die Meinungen der Untertanen kontrollieren.
Und Österreich ist auf der nach oben offenen Totalitarismus-Skala in den letzten paar Jahren bedenklich hinaufgerutscht. Wurde diese delikate Frage von drei Jahren noch von 47% der Österreicher mit einem optimistischen »ja, man kann ohne Scheu reden« beantwortet, und bloß 34% meinten damals »das kommt darauf an« bzw. »es ist besser, sich mit seiner Meinung zurückzuhalten, weil man sonst mit Nachteilen rechnen muss« (was für einen Rechts- und Verfassungsstaat, der Österreich doch zu sein vorgibt, eigentlich schon ein erschütterndes Ergebnis ist!), so hat sich mittlerweile die Mehrheit gewendet: heute sind stolze (oder bessergesagt: durch Erfahrung vorsichtig gewordene) 65% (!) der Meinung, daß man seine Meinung besser zurückhält bzw. zumindest zu gewissen Fragen besser schweigt, und nur mehr 31% meinen, sie dürften ohne Scheu sagen, was sie meinen.

Wen wundert's? Eine Grazer Gemeinderatskandidatin, die es beispielsweise eher uncharmant fand, daß ein angeblicher Prophet Mohammed ein sechsjähriges Mädchen heiratete und es ab dessen neuntem Lebensjahr zu beschlafen anfing, und das in die Worte »Nach heutigem Rechtssystem wäre er ein Kinderschänder« kleidete, wurde in einem Schauprozeß verurteilt. Wenn man sich ansieht, was in letzter Zeit mit Prominenten, die nicht mehr nach der Multikulti-Gender-LesBiSchwulen-Pfeife tanzen wollten, aufgeführt wurde (z.B. Eva Herman oder, ganz aktuell, Sarrazin), dann wundert man sich eher, daß 31% noch so naiv sind, an eine Meinungsfreiheit jenseits der linken Reichshälfte zu glauben — oder es sind eben jene 31%, die im sicheren Bewußtsein, auf der Seite der Gutmenschen zu stehen, ihre Meinung jederzeit frei äußern können, weil sie eben die medial und politisch alleinherrschende ist.

Dann freilich wäre das Ergebnis die Bankrotterklärung für eine freie Gesellschaft! Wenn nämlich nur mehr die, die der eindeutigen Minderheit der selbsternannten »Guten« angehören, frei sind, ihre Meinung zu äußern, wohingegen die, die der doppelt so großen Mehrheit Andersdenkender angehören, zum Schweigen verurteilt sind, dann haben wir zwar noch keine Verhältnisse à la Hitler (noch fehlen z.B. die Konzentrationslager), wohl aber solche nach Art der DDR, wo ja auch etwa ein Drittel der Bevölkerung mit dem SED-Regime mehr oder weniger einverstanden war, sich damit sogar solidarisierte, jedoch die schweigende, weil zum Schweigen verurteilte Mehrheit aus dem politischen Diskurs ausgeschlossen blieb.

Wo ist dann eigentlich noch der Unterschied zwischen dem »Neuen Deutschland« unter einem Honecker und dem »Spiegel« unter einer Merkel? Wer einmal als »Systemfeind« ins Radar geriet und zum Abschluß freigegeben wurde, der hatte damals keine Chance, und hat sie heute ebensowenig. Der wurde und wird mit medialer Erpressung und unter flagranter Mißachtung geltender Gesetze aus seinem Amt geworfen und in seiner privaten Existenz geächtet.

Es gibt an den Grenzen keine Todesstreifen mehr — denn die sind mittlerweile überflüssig. Denn jenseits der schengen-»liberalisierten« Grenzen ist dasselbe Elend, dieselbe Meinungsdiktatur, nur mit anderen Politdarstellern. Und die wenigen Staaten, die sich derzeit noch weigern, diesem Konformitätsdruck nachzugeben (wie die Schweiz oder Liechtenstein) werden nach und nach fertiggemacht, bis auch sie gleichgeschaltet sind ...

Meinungsfreiheit 2010? Der Witz war gut ...

1 Kommentar:

Laurentius Rhenanius hat gesagt…

Oh, es gibt einen Unterschied zwischen ND unter EH und DS unter AM!

Unter EH bestand noch die Möglichkeit, in den Westen zu gehen oder abgeschoben zu werden. Im heutigen Europa ist eine solche Ausbürgerung bzw. Republikflucht nicht mehr möglich!
Es fehlt der "freie Westen", der solche Dissidenten freudig empfangen könnte!