Samstag, 10. Oktober 2009

Handlungsreisende in Sachen Valium

Selten noch habe ich eine treffendere Charakterisierung der heutigen Politiker gelesen, als diese von Michael Ludwig im Artikel »Gedankensplitter in den Tagen nach der Bundestagswahl« der Zeitschrift »Gegengift«.

Damals, ja damals als manche Entscheidung noch offen war und Willy Brandt, Herbert Wehner, Helmuth Schmidt auf der einen Seite und Franz Josef Strauß, Rainer Barzel und der stahlharte hessische Konservative Alfred Dregger miteinander in den Ring stiegen, um die Fäuste fliegen zu lassen, saßen wir begeistert davor und klatschten Beifall. Heute stehen sich Angela Merkel und Frank-Walter Steinmeier gegenüber. Haben sie gekämpft? Haben sie alles gegeben für ihre Ideen? Wären sie notfalls dafür bereit gewesen, die Zähne des anderen auszuschlagen und sich die eigenen einschlagen zu lassen (was zugegebenermaßen ein etwas schief geratenes Bild ist, denn die beiden haben ja keine)? Niemals. Stattdessen wirkten sie wie Handlungsreisende in Sachen Valium.

Ja, leider kann man es gar nicht besser ausdrücken. Sicher: nicht alle Staaten sind mit derart offensichtlich 100%-charismafreien Politikern »gesegnet«, wie Deutschland. Aber wie sieht's denn in Österreich aus? Das Match Dick gegen Doof ist doch von einer gähnenden Langeweile, gegen die ein Hirtenbrief der Österreichischen Bischofskonferenz wie ein Action-Thriller wirkt. Gepflegte Langeweile selbst in traditionell debattenfreudigen Staaten wie Großbritannien (wo nur dieser fleischgewordene Schreibtisch Brown seinem Herausforderer etwas wie ein politisches Profil zu geben imstande ist).

Nein: es geht nicht um Wahlkampfschlachten, nicht um Fernsehduelle und ähnliche Shows: es geht um die durch allgemeines Schielen nach der nächsten Umfrage und ängstliche Rücksichtnahme auf die allgegenwärtigen (und die Parteien finanzierenden) Lobbyisten völlig perspektivlos gewordene Politikergilde. Wer nur mehr beschließt, wozu ohnehin schon alle zugestimmt haben (oder wenigstens zum Stillhalten gekauft wurden), ist eigentlich völlig entbehrlich.

Deshalb auch der hektische Aktionismus in Orchideenfragen, die in Wahrheit keinen interessieren. Von der Gurkenkrümmung über die Weinwerbung bis zur Quotenfrauenquote. Und als Alibibeschftigung, wenn sonst nichts mehr hilft, Bedeutung vorzuschützen: der »Kampf gegen Rechts«.

Der alte Slogan des österreichischen Molkereiverbandes (»Butter kann durch nichts ersetzt werden«) ist — in bewußter Sinn-Umdeutung auf unsere Politiker angewandt — aktuell wie nie zuvor: »Politik kann durch nichts ersetzt werden«. Einfach abschaffen! Nur als kostenintensive Alibiveranstaltung braucht sie keiner. Und an der bürokratischen Vision, durch Regulierung und »Schön-sprechen-bitte!« das Paradies auf Erden wenn schon nicht zu schaffen, so doch wenigstens als — wiewohl unrealisierbares — Projekt umständlich zu beraten, besteht erst recht kein Bedarf!

Denn schon jetzt gilt: »Mit Ezzes sind mer versorgt!«

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